Die Amerikaner werden für immer und ewig mit ihren beiden ersten Scheiben in Verbindung gebracht werden. Dabei sind es die Hits «Youth Gone Wild», «I Remember You», «Slave To The Grind» oder «Quicksand Jesus», welche noch heute jeden Konzert-Saal zum Kochen bringen. Okay, da gibt es natürlich noch ein paar mehr. Die Jungs kamen aus dem Nichts und hielten 1989, allein in den USA, plötzlich Fünffach-Platin für ihr Debüt-Album in den eigenen Händen. Der Erfolg kam rasend schnell, und für junge Kids hätte dies zu einem übersteigerten Selbstbewusstsein führen können.
Sitzt man aber beim Interview mit Gitarrist Dave "Snake" Sabo und Bassist Rachel Bolan zusammen, fällt einem sofort auf, dass die beiden Jungs bodenständige Kerle sind, die aus der Mittelschicht kommend nie vergessen haben, wo ihre Wurzeln stecken. Respektvoll, ohne Star-Allüren und sehr nett präsentierten sich die beiden. Dies noch vor ihrem Auftritt im Kofmehl in Solothurn. Einem Gig, dem ich sehr entgegen fieberte, fackelte die Truppe doch, zusammen mit ihren alten "partners in crime" Scotti Hill (Gitarre), Schlagzeuger Scott Hammersmith und Neusänger Erik Grönwall die grosse Bühne am diesjährigen "Sweden Rock Festival" regelrecht ab.
Ich habe ja schon sehr viele Interviews geführt, und selten war ein beschissenes Gespräch dabei. Dies kann ich an einer Hand abzählen, aber so begeistert wie nach der heutigen Begegnung war ich schon lange nicht mehr. Dies lag an der herzensguten, offenen, ehrlichen, authentischen und sehr netten Art von Snake und Rachel. Wäre man kein Fan dieser Truppe, Mann oder Frau würde es danach schon nur deswegen bestimmt sein!
MF: Nach etwas mehr als einem halben Jahr, wie glücklich und stolz seid ihr heute mit eurem neuesten Streich «The Gang's All Here»?
Rachel: Je länger wir von dieser Scheibe umgeben sind, desto glücklicher werden wir. Immer wenn wir uns unsere neuen Lieder anhören oder sehen, wie die Leute unser neues Material bei den Konzerten mitsingen…, das ist wirklich ein unglaublich geiles Gefühl.
Snake: Wie oft haben sich in der Vergangenheit Bands über ihre Plattenfirma beschwert? Bei uns ist es das pure Gegenteil. Lange bevor wir uns Gedanken zum neuen Werk machten, planten sie mit uns die kommenden Schritte. Sie hielten an uns fest und erledigten einen Wahnsinns-Job. Ihre Unterstützung auf der ganzen Welt ist unglaublich. Nach all der Zeit sind wir noch immer sehr glücklich. Wir mussten zuerst die Reaktionen der Fans abwarten und akzeptieren, aber die Plattenfirma verhalf uns dazu, in zehn oder elf Ländern in die Top-20 einzusteigen. Das ist uns seit 27 Jahren nicht mehr passiert (grinst zufrieden). Alle Leute, die in diese Geschichte involviert waren und am Album mitgearbeitet haben, stellen eine Verbindung zu uns her. Darum sind wir auch so verdammt stolz auf diese Scheibe.
Rachel: Wir haben wirklich verdammt hart für «The Gang's All Here» gearbeitet.
Snake: Mehr denn je...
Rachel: ...absolut. Wir haben die Lieder oft mehrmals komponiert (lautes Lachen). Unsere Geheim-Waffe war dabei Nick Raskulinecz (Produzent), der immer den Fokus darauf legte, was wir zu tun hatten.
MF: In meinen Augen ist es auch eines der besten Alben geworden, das ihr je veröffentlicht habt...
Rachel: ...oh besten Dank Martin, mir geht es genau gleich (lacht)...
Snake: ...das sehen wir alle genau gleich!
MF: Wo würdet ihr das Album in der Geschichte von Skid Row einordnen?
Snake: Oh mein Gott (grinst). Für mich gehört es zwischen unser Debüt und «Slave To The Grind», aber es passt sehr gut ins Jahr 2023. Wir können «Time Bomb» auf der Bühne spielen, und das passt perfekt nach einer Nummer wie «Living On A Chain Gang» oder «Threat». Auch "The Gang's All Here" können wir problemlos vor "Youth Gone Wild" spielen. Wie Rachel vorhin erwähnte, hat Nick sehr gut verstanden, was wir tun müssen. Dabei haben wir unsere Energie darauf konzentriert, ein Skid Row Album zu kreieren. Er verstand es uns zu helfen, uns selbst vorzustellen, wie wir klingen müssen, um die Essenz zu gestalten, die wir damals zu Beginn unserer Karriere hatten.
MF: Für mich sticht besonders der Titeltrack hervor und ist jetzt schon ein wahrer Klassiker...
Snake und Rachel (mit einem breiten Grinsen im Gesicht): ...herzlichen Dank!
MF: Was wollt ihr uns mit dem Album-Titel mitteilen?
Rachel: "The Gang's All Here" ist eine Botschaft, die aussagen will, dass wir bereit sind. Wenn du dich mit Leuten oder deinen Freunden triffst und dann Dinge aus dieser Gruppen-Dynamik heraus tust. "The gang's all here, let's do it, let's go!" Das ist autobiografisch für uns. Wir kommen zusammen als Freunde, "rise some hell and get in trouble". Es wurde zu einem Mantra für uns. Wir haben nach einem passenden Album-Titel gesucht und schnell festgestellt, dass er das in der Tat ist (lacht). Es beschreibt genau, was wir als Band tun.
Snake: Es ist definitiv ein Statement der Verbundenheit...
Rachel: ...korrekt...
Snake: ...das war für uns immer sehr wichtig. "We are as one"! Als wir wieder am Start waren, haben wir dieses Credo repariert und sind zu dieser Grundhaltung zurückgekehrt. Das ist sehr, sehr, sehr wichtig für uns. Wie eine Familie, die die gleiche Vision, die gleichen Ziele und den gleichen Standpunkt vertritt. Das ist auch der Glaube daran, was die Band ist und wohin wir gehen sollten.
"...Ich habe das Glück, mich seit über 36 Jahren auf diese Jungs verlassen zu können..."
MF: Wie schwer war es für euch Freunde zu bleiben, nach diesem unglaublichen Erfolg, den ihr zu Beginn eurer Karriere feiern konntet? (Beide grinsen und lachen)
Rachel (lachend): Ich denke, das war überhaupt kein Problem. (Lacht immer noch)
Snake: Nein, sorry, mach weiter…
Rachel: …wir kommen aus den gleichen Schichten, damals wie heute. Snake und ich sind in unterschiedlichen Teilen von New Jersey aufgewachsen, hatten aber mehr oder weniger den gleichen Hintergrund. Wir haben viel gelernt, indem wir durch die Scheisse waten mussten. Wir hatten nie Angst, hart zu arbeiten, denn das haben uns unsere Eltern beigebracht. Das ist sicherlich auch der Grund, warum wir heute noch hier sind. Das und die Tatsache, dass wir KISS-Fanatiker waren und es immer noch sind…
MF: …wie ich auch…
Rachel: …cool, Buddy. Am ersten Tag, als wir uns trafen, haben wir über KISS gesprochen (lacht). Snake hat da in einem Plattenladen gearbeitet, der gleich um die Ecke war, wo ich gewohnt habe. So begann unsere Freundschaft. Scotti kannte ich lange bevor ich Snake traf. Wir sind ebenfalls mit dem gleichen Hintergrund aufgewachsen, genauso wie Rob. Im Laufe der Jahre…, klar gab es auch Momente, in denen wir uns fast die Köpfe eingeschlagen hätten, weil wir Dickköpfe sind (lacht). Aber in welcher Freundschaft passiert das nicht? Du verstehst, was ich meine? Es ist überhaupt nicht schwierig, so lange Freunde zu bleiben…
Snake: …überhaupt nicht! Die Freundschaften, die ich mit Rachel und Scotti habe, sind wie die meisten dieser grossartigen Beziehungen, die ich pflege. Ich liebe meine Frau und meine Familie. Wir sind nun schon 36 Jahre lang auf dieser gemeinsamen Reise. Das hat uns verbunden. Manchmal verbringe ich mehr Zeit mit diesen Jungs, als mit meiner Familie. Der Vorteil ist, dass wir über alles sprechen können und jeder den anderen kennt. Wir können uns aufeinander verlassen, und ich muss keine Angst haben, betrogen zu werden. Nicht jeder hat solche Menschen um sich herum. Ich habe das Glück, mich seit über 36 Jahren auf diese Jungs verlassen zu können.
MF: Wie schwer war es für euch, das neue Album zu komponieren, mit dem Bewusstsein, dass ihr diesen unglaublichen Erfolg mit den ersten beiden Scheiben erreicht hattet?
Rachel: Wir haben uns selbst diesem Druck ausgesetzt, keine Ahnung, wieso!? Ich habe dir gesagt, dass wir die Songs jeweils zwei bis drei Mal neu geschrieben haben. Dann kam Nick, unser Produzent an und war der Meinung, das Ganze nochmals neu zu schreiben (lautes Lachen). Wir setzten uns unter Druck, aber nicht bezüglich unserer alten Scheiben, sondern weil wir Lieder schreiben wollten, die wir für immer lieben möchten. "Wow, was sind das für Killer?!" Das war der Grund, weshalb wir immer wieder Teile änderten oder neu schrieben, somit Druck, um uns neue Grenzen aufzuerlegen. Für uns selbst, auch auf dass wir noch bessere Songwriter werden.
Snake: Das andere war, und da muss ich Nick wieder ins Spiel bringen…, die Herausforderung, die er uns bot, war eine grosse Inspiration. Hey, dieser Teil ist grossartig und dieser auch, lass uns das als Messlatte nehmen. Diese Einstellung liess das Endresultat so erfolgreich werden. "Jungs, genau, wir können es doch noch eine Stufe besser, also lasst es uns tun!" Niemand liess dabei den Kopf hängen und meinte: "Echt jetzt, komm schon!" Sondern jeder wollte ein Teil davon sein, es noch besser zu gestalten. In der Vergangenheit hätten wir die Hände vor dem Kopf zusammen geschlagen und gesagt: "Oh mein Gott, findet das auch mal ein Ende?" Aber dieses Mal waren wir alle der Meinung, klar, da legen wir noch eine Schippe drauf! Wir balancierten die Ideen aus und sassen im Kreis. Ich brachte zum Beispiel einen Part ein, den Scotti und Rachel anschliessend erweiterten. Stück für Stück kamen wir auf diese Weise weiter. Die Energie, die noch immer in uns steckt, war ein zusätzlicher Antrieb, um unsere Kreativität ausleben zu können.
Rachel: Nicks Erinnerungen sind unglaublich…
Snake: …oh ja!
Rachel: Als wir nach zwei Wochen wieder in den Proberaum kamen, spielten wir unterschiedliche Noten, weil er einen Teil geändert hatte. Wir schauten uns bloss an und meinten: "Bist du verhext?" (lacht laut). Seine Erinnerungen und das Abrufen von Einzelheiten waren unglaublich. Das ist der Grund, weshalb vieles so perfekt funktionierte. Er liebt Musik und steckt sein Herz wie seine Seele komplett in jedes Projekt hinein, an dem er beteiligt ist. Das hat uns sehr geholfen und uns dazu gebracht, härter zu arbeiten...
Snake: ...seine Visionen waren sehr klar. Er hatte eine Idee und eines der ersten Dinge, die er zu Rachel sagte, war: "Ich will die Quintessenz der Skid Row Alben." Rachel antwortete: "Das klingt verdammt gut, aber was zur Hölle meint er damit?" (beide lachen). Er brachte uns zurück zur Essenz, warum wir überhaupt mit der Musik angefangen haben. Warum haben wir eine Band gegründet und zusammen Songs geschrieben? Wie Rachel vorhin sagte, es ist nicht schwer, den nächsten Schritt zu gehen, aber ab und zu findest du dich weit entfernt von dem, was du bist. Also komm zurück zu dem, was du bist und was dich ausmacht. Ab und zu geht dir auch ein Licht auf, zum Beispiel wenn Nick dich fragt, was einem gerade durch den Kopf ging, als der zweite Chorus von "Big Guns" geschrieben wurde?
Rachel (lachend): Verdammt, was habe ich damals nur getan!
Snake: Wir haben wieder zu uns selbst gefunden.
MF: Das ist auch das, was ich auf dem neuen Album höre...
Rachel: ...Martin, das ist sehr eindrucksvoll, das zu hören!
Snake: Wirklich Martin, das ist grossartig, dass du das so siehst!
MF: Wie ihr es vorhin beschrieben habt, geht ihr musikalisch zurück zu euren Anfängen, aber ihr seid nicht in der Vergangenheit, sondern im Hier und Jetzt.
Rachel: Das war auch die Idee von Nick. Er wollte ein neues Skid Row Album kreieren, das uns fühlen lässt, woher wir kommen. Er war schon lange ein Skid Row Fan, bevor er unser Produzent wurde. Das hat vieles viel einfacher gemacht. 36 Jahre nachdem wir die Lieder für unser Debüt komponiert haben..., für ihn war es eine Erinnerung, wie ein Foto von damals. Ich bin mir sicher, dass er sich die Platte öfters als wir angehört hat (grinst)...
Snake (lachend): ...das muss wohl so gewesen sein!
Scotti (kommt mit frisch gewaschener Wäsche): Entschuldigung Mister Sabo, hier sind frisch gefaltete Shirts für sie (alle lachen).
Snake: Sind das wirklich alle oder hast du etwas weggenommen?
Scotti: Nein, ich habe leider nichts mehr!
Snake (immer noch lachend): Ich danke dir, Scotti.
Scotti: Das war ein Spass, wie nebenbei bemerkt (alle lachen).
Snake (lachend): Ich glaube, das war das erste Mal, dass er mich "Mister Sabo" genannt hat.
"...Die Dinge flogen uns zu der Zeit förmlich um den Kopf. Plötzlich hatten wir eine Gold-Scheibe...."
MF: Gehen wir nochmals ein bisschen in die Vergangenheit zurück. Wie war es damals für euch, für das Debüt-Album fünfmal Platin allein in den USA zu kriegen? Eine Überraschung oder surreal?
Snake: Beides zusammen und unerwartet...
Rachel: ...als Kinder träumten wir davon, einmal als Musiker eine Platin-Auszeichnung an der eigenen Zimmerwand hängen zu haben, auf der ganzen Welt zu touren und dies alles so lange wie möglich zu tun. Aber als sich die Dinge 1989 ereigneten..., Scotti hat dies vorhin so treffend beschrieben, es war, als würde man im Fernsehen seinen eigenen Film sehen. Die Dinge flogen uns zu der Zeit förmlich um den Kopf. Plötzlich hatten wir eine Gold-Scheibe. Cool! Hey, ihr seid im "Circus Magazin" und nebenbei habt ihr auch Platin. Moment, hatten wir nicht gerade erst Gold bekommen? Durchatmen? Fehlanzeige, denn die Plattenfirma lud uns ein und überreichte uns zweifaches Platin. Die Dinge passierten sehr schnell…, persönlich..., wie lange waren wir auf Tour?
Snake: Das müssen siebzehn Monate gewesen sein.
Rachel: Du kommst nach Hause und hast plötzlich eine eigene Wohnung oder ein Haus (lacht). Die Zeit, in der ich bei Stripperinnen in New Jersey geschlafen habe, war vorbei (lacht). "What the fuck just happened over the past?!" Was ist in den letzten anderthalb Jahren passiert? Es war sehr surreal. Als wir begannen alles zu reflektieren, dachten wir nur, da ist so viel mit uns passiert (lacht).
Snake: Das Erste was ich tat, als ich nach Hause kam, war Urlaub machen.
Rachel: Ich erinnere mich, dass ich "Disney World" besucht habe...
Snake: ... wir lebten in dieser Gegend von New York bis New Jersey und kannten nichts anderes von der Welt. Sie nahmen ein paar Kinder und steckten sie in einen Tourbus. Dies war die grösste Tour, die in diesem Jahr stattfand, die von Bon Jovi. Wir spielten in den grössten Hallen, und das war eine komplett andere Welt als die, von der wir geträumt hatten. Wir hofften, mit dem ersten Album all unsere Visionen auf die Erde zu bringen. Ich fragte mich, ob wir genügend Platten verkaufen würden, um die Möglichkeit zu haben, eine Zweite aufzunehmen. Wir wollten diese Gelegenheit wahr nehmen, weil wir von der Musik leben wollten. Jeder wollte sein wie die Rolling Stones, aber unsere Realität beschränkte sich darauf, weitermachen zu können. Wir sind in Mittelklasse-Familien aufgewachsen.
Wir mussten für alles, was wir besassen, arbeiten. Ich wollte nicht mehr in diesem Plattenladen beschäftigt sein und mich nicht mehr anpassen. Musik war meine Leidenschaft. Als alles ins Rollen kam, dachte ich nur: "Wow, wir haben es geschafft und können noch sehr lange Musik spielen" (Rachel lacht). Gedanken an eigene Häuser machten wir uns keine. Schliesslich suchten wir uns immer wieder eine Bleibe bei einer Lady, um übernachten zu können, selbst wenn der Boden dreckig war, aber die Zeiten änderten sich. Wir versuchten unsere Köpfe über Wasser zu halten, so wie wir es gelernt hatten, als wir aufwuchsen. Wir blieben bescheiden. Was dir dein Leben gibt, ist ein Geschenk, und so fühlen wir uns auch heute noch.
"... Sei dankbar dafür, dass es passiert ist, aber wenn es vorbei ist, dann ist es vorbei..."
MF: War es wegen des grossen Erfolgs schwer für euch, den Boden unter den Füssen nicht zu verlieren?
Rachel: Persönlich, und da kann ich für Snake und Scotti sprechen, war das nicht schwierig. Wir haben jeden Dollar angenommen, der in unseren Händen lag (lacht). Wir haben schwierige Zeiten durchgemacht, als wir das Elternhaus verlassen haben. Ich hatte damals einen Fernseher mit einem Drehrad, um die Sender einzustellen. Jedes zweite Mal musste ich ihm einen Schlag versetzen, damit ich mir etwas im TV ansehen konnte. Meine Eltern sind auf die gleiche Art und Weise aufgewachsen. Wir waren verdammt arm, und es gab keinen Luxus. Wenn du diese Schule durchmachst, dann bist du sehr dankbar, selbst wenn sich deine Lebens-Umstände ändern, und du drehst nicht durch.
Klar gab es Momente, in denen wir uns wie Rockstars gefühlt haben. Das war dann, wenn ich die Bühne betreten habe. Das Beste was du tun kannst, ist deinen Scheiss auf die Bühne zu bringen. Das durchdringt dein Leben, und du wirst sehen, was es mit den Leuten, die vor dir stehen, macht. Du darfst aber nicht in dieser Fantasie stecken bleiben, denn es ist eine reine Fantasie, auch wenn deine Träume wahr werden. Diese Rockstar-Sache ändert sich jedoch schnell, wenn deine Klima-Anlage im Tourbus den Geist aufgibt (lacht) und du merkst, dass du nicht von solchen Dingen befreit bist. Das ist die Realität, mein Lieber! Du bist nicht zu Hause, wenn deine Lieben ihren Geburtstag feiern, und du kannst nicht mit ihnen in den Urlaub fahren. Das ist die verdammte Realität. Wenn du auf der Bühne stehst, lebst du deinen Traum und deine Fantasien aus.
Snake: Es gab schon Momente, in denen wir uns als die absoluten Helden gefühlt haben. Als ich erkannte, dass ich bei den Weihnachts-Einkäufen in der Eingangs-Halle erkannt wurde. Hunderte von Leuten wollten Fotos und Autogramme von mir. Heilige Scheisse, ich kannte das nicht und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Aber nochmal, es gibt eine Trennung zwischen dem Typen im Tourbus, der mit seinen Kumpels die Bühne betritt und dem Typen, der zu Hause ist und Spielzeug für seinen Neffen einkauft. Es war so bizarr, dass mich all diese Leute plötzlich kannten.
Rachel: Das Verlieren der Privatsphäre war zuerst ein cooles Konzept, das mich aber sehr schnell wütend machte. Hau bloss ab, und lass mich in Ruhe (lacht). Ich versuchte nur ein paar Dinge einzukaufen oder wollte in meinen Unterhosen den Briefkasten leeren (lautes Lachen). Plötzlich standen da diese Leute und wollten etwas von mir. Was treibt ihr vor meinen Fenstern? Lasst mich meinen Haferbrei essen...
Snake: ... das war sehr interessant. Es kommt darauf an, wie du solche Dinge an dich heran lässt. Du musst realisieren, dass dies nicht für immer anhalten wird. Sei dankbar dafür, dass es passiert ist, aber wenn es vorbei ist, dann ist es vorbei.
MF: Als ich euch das erste Mal sah, war es zusammen mit Mötley Crüe auf ihrer "Dr. Feelgood"-Tour.
Snake: Das war für uns das erste Mal, dass wir in Europa spielten, und es war faszinierend, weil wir die Möglichkeit bekamen, unsere eigene Show im "Marquee" zu spielen. Dieser Club ist legendär, so wie das CBGB bei uns. Heilige Scheisse, wir spielten tatsächlich in London, und unsere Show war in wenigen Minuten ausverkauft. Es reihten sich Leute um den Block, die alle das Konzert besuchen wollten. Du heiliger Strohsack, wir waren wirklich in England, sprich Europa und sahen all diese grossartigen Städte sowie Kulturen. Für uns war alles brandneu und gehörte zu unseren ersten Erfahrungen.
MF: Es war mir ein Vergnügen mit euch zu sprechen und hat mir aufgezeigt, wie bodenständig ihr nach all den Jahren noch immer seid. Herzlichen Dank dafür!
Rachel: Wir danken dir, Martin. Endlich mal ein Interview, bei dem wir nicht Standard-Fragen beantworten mussten. Danke für deine Zeit, und geniess die Show heute Abend.
Snake: Bleib gesund, Martin.