Andy Portmann ist nicht nur mit einer aussergewöhnlichen Gesangsstimme gesegnet, sondern auch eine verdammt ehrliche Haut. Der Innerschweizer ging bisher immer seinen Weg und Schubladendenken war für ihn ein ebensolches Fremdwort wie Stagnation. Die ersten Gehversuche unternahm er bei Ain't Dead Yet, die mit dem 1996er Album «Read Your Mind» viele musikalische Elemente vermischten und damals für Aufsehen sorgten. Weg von der Coverband Mentalität hin zu einer ernst zu nehmenden Truppe. Nach dem Aus suchte der Shouter sein Heil als Solist und veröffentlicht nun sein viertes Felskinn Album unter dem Titel «Enter The Light».
MF: Wie siehst du die Entwicklung vom Debüt-Album von Felskinn bis hin zu «Enter The Light»?
Andy: Das ist eine riesengrosse Zeitspanne (lacht). Das Debüt-Album war eine Soloscheibe von mir, wie auch «Mind Over Matter». Im Gegensatz dazu ist «Enter The Light» klar ein Band-Album. Über die Hälfte der Tracks wurden nicht von mir komponiert. Klar arbeiteten wir zusammen, aber vieles kam von Tinu (Martin Rauber, Gitarre) und Tom (Graber, Gitarre). So kriegte das Werk eine andere Farbe..., aber! Die Jungs haben sich sehr cool auf den Felskinn Sound eingelassen und trotzdem ihre eigene Note beigetragen. Ich verspüre nach all den Jahren oder Jahrzehnten (schmunzelt) in denen ich alles alleine geschrieben habe, was auch geil ist, eine extrem grosse Freude auf andere Idee reagieren zu können. Melodien und Harmonien, die ich alleine so nie geschrieben hätte und mich somit auf ein neues und anderes Spektrum einlassen konnte.
MF: Wie würdest du die Musik von Felskinn beschreiben?
Andy: Sagt nicht jede Truppe, dass ihr Sound speziell ist (lacht)? Klar, dies sollte auch so sein. Aber ganz einfach…, unsere Musik basiert auf einem Metal Fundament. Mein ursprüngliches Songwriting stammt ein bisschen aus dem Pop-Bereich. So findet man immer wieder Pop-Einflüsse in den Arrangements und in der Melodieführung. Dazu kommt eine Spur Punk in der Attitüde und hinten in der Ecke schimmert noch ein bisschen Thrash durch. Die Rhythmik ist mir persönlich sehr wichtig. Dank Beat (Schaub, Bass) und Ronnie (Wolf, Drums) haben wir tolle Leute in der Band. Speziell in «Enter The Light» hörst du alles, von stampfenden, "straighten" Metal-Tracks hin zu poppigen Grooves und funkigen Momenten, die ein sehr breites Spektrum abdecken. Die beiden Jungs haben dies sehr locker aus den Händen geschüttelt!
MF: Wie viel Ain't Dead Yet steckt in Felskinn? «Read Your Mind» war auch ein sehr abwechslungsreiches Album, das so ziemlich zwischen vielen musikalischen Stühlen lag und nicht schubladisierbar war.
Andy: Das hat sich bis heute durchgezogen (lautes Lachen). «Read Your Mind» war damals ein Band-Album, mit unterschiedlichen Komponisten. «Enter The Light» ist das achte Werk, auf dem ich zu hören bin. Dieses nicht "schubladisierbar" hat sich wie ein roter Faden immer durch alle Scheiben hindurch gezogen. Bei «Read Your Mind» hatte ich den Lead nicht inne. Auch wenn viele achtziger Jahre Einflüsse vorhanden waren, versuchten wir die Neunziger miteinfliessen zu lassen. Zusammen mit meinen Ideen ergab dies ein farbenfrohes Mischmasch (grinst). Diese Scheibe war definitiv schwer zu vermarkten. Es war und ist Fluch wie Segen zugleich (grinst), dass ich diesen Weg in meiner Karriere beibehalten habe. Damals bei Ain't Dead Yet…, das war mein Debüt-Album als Sänger. Es war mein Einstieg in dieses Business. Vom ersten Mal (grinst) bleibt immer sehr viel…, weisst du, die Attitüde von damals blieb an mir kleben.
MF: Wie wichtig ist es dir mit der Musik Bilder zu kreieren?
Andy (überlegt lange): Ich denke nicht, dass ich bewusst…, wenn dann eher unbewusst…, schlussendlich…, die Ideen fliegen mir zu. Das ist nach wie vor etwas Magisches. Selbst nach all diesen Jahrzehnten (lacht). Die Texte und Aussagen sind mir…, bei «Enter The Light»…, es begann bei «Read Your Mind», das letzte Album hiess «Mind Over Matter». Es sind immer ähnliche Themen, denen ein leicht spiritueller Ansatz anhaftet. Solche Dinge interessieren mich. Dieses in sich Reingehen und die Verbindung zwischen Geist und Körper, mit der Welt und Leben, das interessiert mich. Man schreibt über die Dinge, welche interessant sind. Kreiert dies Bilder beim Zuhören, dann haben wir unser Ziel erreicht!
MF: Was willst du uns mit dem neuen Album-Titel vermitteln? Das Cover dazu sieht ja ziemlich apokalyptisch aus.
Andy: Das ist spannend…, du hast vorhin Ain't Dead Yet erwähnt. Zu diesem Album schrieb ich den Text zu «Can't Realize». Da habe ich beschrieben, wenn ich Texte komponiere, dass die Wörter aus mir heraus fliessen, es stimmig ist, aber der eigentliche Sinn wird mir erst Monate oder Jahre später klar, was ich sagen wollte. Oder es wird eine neue Interpretation. So geschah es wieder bei «Enter The Light». Unsere Grafikerin kam mit ein paar Vorschlägen ums Eck. Zuerst war diese Sichel da, welche uns ABBA geklaut haben (grinst). "Scheisse, jetzt können wir diese Idee begraben!" Plötzlich kam sie mit diesem Bild an, und wir wussten: "Das ist es!" Es beinhaltet…, es hat mich angesprochen und eine wahnsinnige Energie erzeugt. Später wurde mir bewusst, dass diese Kugel auf der einen Seite explodiert und auf der anderen Seite ein Licht erstrahlt. Zudem ist es eine schwarze Kugel, welche dieses Licht zurück halten und einschliessen will. Das Licht ist aber stärker und kann sich gegen diese dunkle Macht behaupten. Das Cover hat eine ähnliche Aussage wie beim zweiten Video-Clip zu «World Will End». Ich wurde bei einem Interview gefragt, wovon der Text handelt und ich musste sagen (lachend): "Ich weiss es nicht". Das passt zu dieser Erdkugel. Die Message ist, dass jedes Ende auch von einem Neuanfang abgelöst wird. So einfach ist es (grinst).
"...Wichtig ist in meinen Augen, dass die Aussage immer positiv bleibt. Am Ende des Tages schreibe ich die Texte für mich...."
MF: Wie wichtig sind dir persönlich Texte, beziehungsweise eine Message mitzugeben?
Andy: Aus irgendeinem Grund entstehen Texte, wie «Enter The Light». Solche Lyrics gefallen mir persönlich sehr gut. Damit will ich niemandem (m)eine Meinung aufdrücken. Wenn jemand darauf anspricht, umso schöner. Wenn sich jemand dabei seine eigene Story oder Bilder dazu kreiert, noch viel schöner. Wichtig ist in meinen Augen, dass die Aussage immer positiv bleibt. Am Ende des Tages schreibe ich die Texte für mich.
MF: Was sind die Ziele, die ihr mit Felskinn verfolgt?
Andy: Globaler Erfolg (grinst). Mit der neuen Bandbesetzung sind wir zu einer neuen Einheit gewachsen. So fest wie das eben geht, wenn der Ursprung ein Solo-Projekt war. Bei der Rekrutierung der neuen Truppe…, Beat, mein Bassist, ist der Fels in der Brandung und schon länger bei mir dabei. Tom, Martin und Ronnie sind neu. Als ich mit den Jungs sprach, gab ich ihnen zu verstehen, dass es für mich durchaus möglich sei, aus diesem Solo-Projekt auszubrechen. Ich wollte ihnen nicht vorgeben, was sie wie zu spielen hatten, sondern sie sollten ihre eigenen Ideen mit einfliessen lassen. Das hat brutal gut funktioniert. Alleine aus diesem Grund existiert ein völlig anderer Groove und Wind in dieser Truppe. Ich bin extrem realistisch geworden und sah diverse Musiker und Bands erfolgreicher an mir vorbei ziehen. Natürlich wünscht man sich den Erfolg. Zugleich kann man sich fragen: "Was ist denn Erfolg?" Man verkauft Tonträger und Konzert-Tickets. Ich denke, da stehen wir mit Felskinn noch immer am Anfang. Logisch, schön wäre es, wenn man genügend Leute mit der Musik ansprechen kann und dadurch volle Konzertsäle hat. Das erzeugt eine gute Stimmung (grinst) und generiert das Geld, um mit der Band weiter arbeiten zu können. Auch wenn ich schon lange dabei bin, für mein Gefühl stehe ich noch immer ziemlich am Anfang. Das soll nicht negativ, resignierend oder deprimierend klingen, sondern ein sehr realistisches Statement sein. Dank dem Groove der neuen Mitmusiker entstand neuer Ansporn und brachte Felskinn so einen Riesenschritt weiter.
MF: Somit besteht das Ziel, von Felskinn leben zu können?
Andy: Das wäre super (grinsend)! Dem gegenüber wäre keiner abgeneigt. Aber ich kenne das Business gut genug, dass ich weiss, dass es so wahnsinnig viel braucht. Da muss vieles zusammen passen…, speziell heute, sprich einer Zeit, in welcher keine Tonträger mehr verkauft werden. Alleine mit den Streamings überleben zu können…, das ist eine völlig andere Welt und benötigt fast einen weiteren Urknall, dass wir an das Level von Gotthard heran kommen (lacht). Das wäre toll…, ja, das wäre es (lacht). Natürlich, der Traum jedes Musikers.
"...Ich habe das grosse Glück, dass ich mit meiner Gesangsschule seit dreissig Jahren meinen Lebensunterhalt verdiene. So habe ich immer ein Bein in der Musik drin..."
MF: Wärst du bereit die eigene Vision, respektive deine künstlerische Freiheit dem Erfolg zu opfern?
Andy: Auf keinen Fall! Nein! Das würde ich nie tun. Das habe ich früher schon nie gemacht, was vielleicht auch der Grund ist, wieso mir der globale Erfolg verwehrt blieb (grinst). Oder auch der Grund, wieso ich gewisse Projekte in der Vergangenheit wieder zurückzog. Die musikalische Unabhängigkeit ist mir extrem wichtig. Klar, mit dem neuen Label haben wir einen Partner, der gewisse Dinge für uns entscheidet. Aber rein das musikalische oder welche Single veröffentlicht wird, das bleibt unsere Entscheidung. Etwas anderes kommt nicht in Frage. NIEMALS! Man kann mit einander sprechen und erarbeiten. Aber NEIN, niemals, dann beende ich meine Musikerlaufbahn lieber wieder. Ich habe das grosse Glück, dass ich mit meiner Gesangsschule seit dreissig Jahren meinen Lebensunterhalt verdiene. So habe ich immer ein Bein in der Musik drin. Das verleiht mir eine immense Unabhängigkeit und das geniesse ich jeden Tag. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen abgehoben, aber was meine Freiheit angeht, bin ich völlig im Reinen. Auf diesem Weg sah ich genügend Leute, die genau an diesem Punkt gescheitert und daran kaputt gegangen sind.
MF: Wie schwer ist es in der heutigen Zeit ein stabiles Line-up mit Musikern um sich zu scharen, welche die gleiche Vorstellung von Musik und den gleichen Ehrgeiz haben wie du?
Andy: Das ist immer schwierig. Widerwillig rutschte ich nach Ain't Dead Yet in diese Solo-Geschichte rein. Grundsätzlich bin ich nicht der Solo-Typ, sondern ein Team-Player. Nach Ain't Dead Yet wusste ich zu genau, was ich will. Mein Gott (grinst), jetzt sind wir seit drei Jahren in dieser Besetzung zusammen. Aber gehen wir in der Zeitgeschichte zurück, hatten die Truppen in den sechziger und siebziger Jahren schon Probleme ein stabiles Line-up um sich zu scharen. Es gibt aber auch Ausnahmen, wie Shakra, die seit Jahren mehr oder weniger in der gleichen Besetzung am Musizieren sind. Felskinn umgibt eine andere Geschichte und war nicht als Band geplant. Es fühlt sich richtig geil an im Moment, und ich geniesse jede Minute mit den Jungs. Ich hoffe, wir können noch sehr lange zusammen spielen, aber das wird sich zeigen (grinst).
MF: Wie wichtig ist für dich die Balance zwischen der Musik und dem Privatleben?
Andy: Extrem wichtig! Speziell in Momenten wie diesen, in denen sehr viel in Bewegung ist. Das fühlt sich sehr cool an, aber ich freue mich wieder auf Ruhe und mehr Zeit für mein Privatleben. Insbesondere auf Momente für mich selber (grinst). Ich brauchte viel Raum und Zeit für mich und geniesse es. Dabei könnte ich einen Monat alleine in den Urlaub fahren (grinst), obschon ich ein Familienmensch und sehr gesellig bin (grinst). Wie du weißt, rede ich sehr gerne und auch sehr viel (lacht). Ich habe viele andere Interessen ausserhalb der Musik. Seien es Sport, Politik oder Landwirtschaft. Klar, die Musik ist meine Leidenschaft, aber wenn sich alles nur noch um den Sound dreht, dann fühlt es sich wie ein Korsett an, und ich freue mich auf einen Ausgleich (grinst). Diese Balance ist sehr wichtig für mich! Dies ist vielleicht auch der Grund, wieso ich in den letzten Jahrzehnten "nur acht Alben veröffentlichte. Dazwischen lebe und lebte ich sehr gerne (grinst). Wo willst du dir als Künstler sonst die Inspirationen für neue Songs oder Sounds holen?
MF: Andy, wie immer besten Dank für deine Zeit und das Gespräch…
Andy: …ja, ich danke dir (grinst).