Es ist jetzt fast vier Jahrzehnte her, seit ich meinen ersten Live-Gig erleben durfte. Das war in der St. Jakobshalle in Basel. Und auch an diesen Abend waren die Basler Gastgeber für ein Metal- Paket, das gemäss Zitat Biff Byford "150 Jahre Metal repräsentierte". Du meine Güte, wie die Zeit doch vergeht, respektive in welchen Erinnerungen Rockslave und meine Wenigkeit auf dem Weg über verstopfte Strassen nach Basel schwelgten. Es war eine Zusammensetzung, wie man sie von früher her kannte. Heisst ein sensationeller Headliner und ein bis zwei spannende Newcomer (zumindest war dies am 14.11.1984 so, als Iron Maiden die jungen Wilden von Mötley Crüe mit im Gepäck hatten).
Am diesem 3. April sollten es aber gestandene Truppen sein, welche Judas Priest begleiten, und dies waren keine Geringeren als Saxon und Uriah Heep! Die Vorfreude kannte keine Grenzen, sondern verursachte nur glänzende Augen. Dieses Befinden wurde leider getrübt durch die langen Warteschlangen an den Getränke- und Essens-Ständen in der Halle. Hier schien die Organisation mit dem Menschen-Auflauf (es waren rund 8'500 Fans anwesend) schlicht und ergreifend überfordert gewesen zu sein, was auch allerorts für Unmut sorgte. Dass die jungen und ergrauten Metalheads in weiblicher und männlicher Ausführung nämlich sicherlich Durst wie auch Hunger mitbringen würden, dafür bürgte nicht nur der frühe Einlass.
Uriah Heep
So stand die britische Rock-Ikone um Gitarrist Mike Box bereits um 18:30 Uhr auf der Bühne. Uriah Heep vereinten unglaubliche 55 Jahre (!!!) in ihren gestandenen Band-Knochen. Dass die Herren noch immer dermassen fulminant auftreten, mussten letztes Jahr auch schon Krokus feststellen, als die Uriahs den Headliner aus Helvetien für viele Anwesende kurzerhand an die Wand spielten, und dies liegt nicht nur an den beiden "jüngsten Band-Mitgliedern". Schlagzeuger Russell Gilbrook (seit 2007) und Bassist Davey Rimmer (seit 2013) gehen mit einem extrem steifen Wind in den Segeln ans Werk, so dass die älteren Semester, sprich Mainman Mike, Sänger Bernie Shaw und Organist Phil Lanzon regelrecht zum Mitmachen mitgerissen werden. Auf der Bühne standen nur Könner ihres Fachs, die genau wissen, wie man auch weit nach einem halben Jahrhundert Hits ohne Mühe entstaubt und mit unbändiger Lebensfreude vortragen kann.
Mit fetten Passagen der Hammond Orgel wurde Mick, der Magier an den Saiten, bestens unterstützt, so dass Killer-Tracks wie «Gypsy» oder «Rainbow Demon» das Publikum auf einen Triumphzug mitnahmen, der seinesgleichen suchte. Bernie freute sich über die drei Landessprachen (in Tat und Wahrheit sind es vier Herr Shaw!) in der Schweiz und bedankte sich bei der fast ausverkaufen St. Jakobshalle für das Kommen der Fans. Mit seinen immer wieder auf Deutsch eingestreuten Ansagen heimste er bei den Anwesenden einen fetten, zusätzlichen Bonuspunkt ein. Wie erwartet, wurden die knapp vierzig Minuten mit dem Monster-Hit beendet, den alle an der Stelle erwarten durften. «Lady In Black» zauberte zum Schluss vielen eine "meterhohe Gänsehaut" auf den Körper und einigen dicke Tränen auf die Backen. Uriah Heep bilden auf der Bühne nach wie vor eine fette Einheit und sind stets Garant für eine ausgelassene Stimmung.
Setliste: «Save Me Tonight» - «Grazed By Heaven» - «Rainbow Demon» - «Hurricane» - «Free' n Easy» - «Gypsy» - «Easy Livin'» - «Lady In Black»
Saxon
Dem wollten die Landskollegen natürlich in nichts nachstehen und eröffneten ihren Set gleich mit dem Titeltrack des neustens Studio-Albums. Aus dem aktuellen Streich spielte der Fünfer anschliessend gleich drei Songs («Hell, Fire And Damnation», «There’s Something In Roswell» und «Madame Guillotine»), während aus der jüngeren Zeit nur noch «Sacrifice» (2013) in das Set einbezogen wurde. Der Rest der Kür stammte aus den frühen Achtzigern. Das konnte man geil finden, da man so einen NWOBHM-Abend bestenspräsentierte. Auf der anderen Seite vermisste ich jedoch Klassiker wie «Solid Ball Of Rock», «Forever Free», «Remember The Fall» oder «The Thin Red Line». Doch dem Schweizer Publikum schien es zu gefallen. Eine Schweizer Fahne mit Saxon Logo flog auf die Bühne, welche Biff am Drum-Podest anbrachte.
Die Fans feierten die Briten ab, was mich aber nicht daran hindert, dennoch einen kleinen Kritikpunkt anzubringen. Seit einiger Zeit fehlt der originale Gitarrist und Band-Gründer Paul Quinn, der die Band aus eigenen Gründen (keine Lust mehr auf Tournee zu gehen) verliess und durch Brian Tatler (Diamond Head) ersetzt wurde. Auch wenn Brian hierbei eine ausgesprochen gute Figur abgibt, kann er den immensen Einfluss von Paul nicht vergessen machen. Mister Quinn hielt die Band in meinem Augen musikalisch zusammen (was aber nicht etwa bedeuten soll, dass Saxon an diesem Abend auseinander fielen!), war das musikalische Rückgrat der Band und konnte Riffs wie Solos auf eine unnachahmliche Art und Weise spielen. Dass zum Beispiel DAS Gitarren-Intro von Paul, sprich dasjenige zu «Princess Of The Night», nicht von Brian, sondern von Doug (Scarratt, zweiter Gitarrist) gespielt wurde, war auf eine Art bezeichnend. Auch die Doppel-Solos von Doug und Brian klangen anders als gewohnt!
Sicher ein Jammern auf hohem Level, denn die Rhythmus-Maschine himself, Nigel Glockler und das bangende Bass-Monster Tim Nibbs Carter (würde er nach Bühnen-Kilometer bezahlt, wäre er schon längst Millionär) hoben die Band einmal mehr auf ein sehr hohes Level. Wie auch Sänger Peter Biff Byford, der mit seinen grellen Pfiffen («Motorcycle Man») und seinen Ansagen wie "You’re feeling good? You're looking good! It's a fantastic night! Basel you've been fantastic tonight! This is Basel going fucking crazy!" (als er mit seinem Handy das Publikum filmte) seinen Reiz nicht verfehlte.
Setliste: «Intro - The Prophecy» - «Hell, Fire And Damnation» - «Motorcycle Man» - «Sacrifice» - «There's Something In Roswell» - «And The Bands Played On» - «Madame Guillotine» - «Heavy Metal Thunder» - «Crusader» - «Dallas 1pm» - «Denim And Leather» - «Wheels Of Steel» - «Princess Of The Night»
Judas Priest
Nach zwei möglichen Headlinern standen dann doch die Metal-Götter in Person auf der Bühne. Sänger Rob Halford, Bassist Ian Hill, Schlagzeuger Scott Travis und die beiden Gitarristen Richie Faulkner sowie Andy Sneap liessen nichts anbrennen und manifestierten, wer die wahren Metal-Götter sind, waren und immer sein werden. Nach dem abgebrochenen Intro von Black Sabbaths «War Pigs» vom Tape, ging es ins Intro von «Invincible Shield Tour Anthem» über, welches nach dem herauf gezogenen Bühnen-Vorhang die Sicht auf die Band freigab, die anschliessend in den Opener des neuen Albums «Panic Attack» einstieg. Sofort nahm Ian seinen gewohnten Platz rechts vom Drum-Podest ein, von dem er sich wie immer nicht mehr weg bewegte. Seinen Bierdeckel-Radius nutze er jedoch konsequent aus und hämmerte seine für die Truppe so wichtigen Bassparts in die Basler Konzert-Halle. Andy gesellte sich dabei immer wieder zu ihm, und zusammen bangten sie nach bester Priest-Manier im Duett.
Scott ist für mich einfach der perfekte Trommler. Mit seinem neunzig Minuten andauernden Grinsen, seiner unglaublich tighten Spielweise und seiner Stick-Show ist er nicht nur eine Faszination für die Augen, sondern auch die Antriebsfeder des britischen Edelstahls. Seine Spielweise tritt seinen Vorderleuten seit 1990 mächtig in den Allerwertesten. Ein weiterer Gewinn für die Band ist Richie, der nicht nur grandiose Solos spielte, sondern sich auch mit Andy duellierte oder das Publikum immer wieder zum Mitklatschen animierte. Im Mittelpunkt stand aber erneut Rob Halford, der Gott aller Metal Gods, der mit seinen 73 Jahren noch immer Screams heraus haute, die ihresgleichen suchen. Logisch wirbelt er nicht mehr, wie noch in den Achtzigern, über die Bühnen-Bretter, aber dafür, dass Sir Halford noch immer so viele Kilometer auf der Bühne auf und ab marschiert, sei ihm ein grosses Lob sicher. Und diese Schritte tat er, wie es sich für einen Metal-God eben gebührte.
Nach dem fulminanten Einstieg mit «Panic Attack» gingen die Herren den Weg, dass sie sehr früh «You’ve Got Another Thing Comin'» in das Set einbetteten (wie schon bei der letzten Konzert-Reise). Als zweiter Song riss der Klassiker die Massen in Basel mit und wurde vom energischen wie ultramagischen «Rapid Fire» abgelöst. Noch heute ist diese Nummer nichts als eine Abrissbirne, wie man sie nur selten zu schreiben vermag. Mit dem laut mitgesungenen «Breaking The Law» hob sich das Level auf den Siedepunkt. Auch wenn nach dem Konzert einzelne Besucher Judas Priest als uninspiriert aufspielend beurteilten, kann ich diese Aussage überhaupt nicht teilen. Was die Herren an diesem Abend boten, war schlicht eine beeindruckende Lernstunde des Metal, Punkt! Einziger Wermuts-Tropfen war jedoch, dass weder «Love Bites» (was für eine Sternstunde des Metals) noch «Metal Gods» (wohl die Nummer, welche die Truppe am besten auf den Laib zugeschnitten ist) gespielt wurden (obschon sie sonst auf der laufenden Tour eigentlich ein fixer Bestandteil waren).
Ansonsten liessen «Lightning Strikes», das geniale «Saints In Hell» aus dem Jahre 1978, das lauthals mitgesungene und für die Band schon fast poppige «Turbo Lover» und das zum Niederknien geniessende «Sinner» keine Wünsche offen. Mit ausgeklügelten Video-Sequenzen wurden die Killer-Tracks optisch bestens untermalt, so dass sich die beiden neuen Übernummern «Crown Of Horns» und «Invincible Shield» als zukünftige Live-Klassiker empfahlen. Mit dem Fleetwood Mac Cover «The Green Manalishi (With The Two Pronged Crown)» und einem langen Mitsing-Spiel zwischen Rob und dem sehr aktiv agierenden Publikum ging das Mikrofon an Scott über, welcher sich beim Publikum bedankte. Interessanterweise kündigte der Trommler noch zwei Songs an, von denen schliesslich nur einer gespielt wurde, und das war natürlich der lauthals geforderte «Painkiller».
“We started our journey fifty years ago. «Rocka Rolla» was the beginning and we thank you from the bottom of our hearts, that we are still here!" bedankte sich Rob beim Basler Publikum und liess es sich nach der ersten Zugabe «The Hellion/Electric Eye» (nach wie vor ein Klassiker des Metals!) nicht nehmen, mit einer Harley auf die Bühne zu fahren. Weisser Nebel verhüllte die Bühne, bis Rob auf seinem Motorrad in grellem, gelbem Licht zu sehen war und «Hell Bent For Leather» gespielt wurde. Metal-Herz, was willst du mehr? Zum Schluss wurde dann noch «Living After Midnight» eingeläutet. Nach dieser Hymne feierte das Publikum Judas Priest zu Recht minutenlang mit lauten “Priest! Priest! Priest!” Chören ab. Das Quintett verteilte dem dankbaren Publikum Drumsticks und Plektren ohne Ende. Der Metal-Gott ging dabei als Letzter von der Bühne und genoss die lauten Chöre des Publikums sichtlich. Darf man dem auf den Video-Screens gezeigten “The Priest will be back!” Glauben schenken, so dürfen wir uns wohl schon bald auf ein weiteres Konzert von Judas Priest in der Schweiz freuen.
Alle die nicht da waren, haben sehr wahrscheinlich das Konzert des Jahres verpasst. Seien wir ehrlich, solche Headliner gibt es heute nicht mehr, sprich Combos mit einer solchen Hit-Dichte, die locker mehrere Stunden spielen könnten. Und wer weiss, wie lange wir Priest noch auf der Bühne werden erleben dürfen? Darum sei allen ans Herz gelegt, ob sie nun in Basel zugegen waren oder nicht, seid dabei, sollten die Jungs nochmals in Helvetien auftreten! "Sie kamen, sahen und siegten” beschreibt nicht mal ansatzweise, respektive annähernd, was Judas Priest an diesem Abend zeigten. Es war eine Macht-Demonstration einer Legende!
Setliste: «Intro - War Pigs (Black Sabbath)» - «Intro - Invincible Shield Tour Anthem» - «Panic Attack» - «You've Got Another Thing Comin'» - «Rapid Fire» - «Breaking The Law» - «Lightning Strikes» - «Saints In Hell» - «Crown Of Horns» - «Turbo Lover» - «Invincible Shield» - «Sinner» - «The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown / Fleetwood Mac Cover)» - «Painkiller» -- «The Hellion» - «Electric Eye» - «Hell Bent For Leather» - «Living After Midnight» - «Outro We Are The Champions (Queen Cover)»