Primal Fear, "Rock Meets Classic", Sinner, The Sygnet, Silent Force, Jorn oder Paul Shortino sind Stationen von Alex Beyrodt, der soeben mit Voodoo Circle sein 15-jähriges Bestehen feiert. Mit der Best-Of «15 Years Of Voodoo» wurden die eineinhalb Jahrzehnte gefeiert und am diesjährigen ICE ROCK Festival sollte die Truppe endlich wieder einen Auftritt absolvieren. Bedingt durch Corona musste Sänger David Readman (Pink Cream 69) kurzfristig passen, und so wurde aus der Not eine Tugend. Alex zauberte mit Ersatz Ronnie Romero (Ex-Rainbow, Gotus, Vandenberg, CoreLeoni, MSG), Markus Kullmann (Drums), Rudi Spiller (Bass) und Hannes Luy (Keyboard) eine Truppe aus dem Hut, die zuvor in dieser Besetzung noch nie zusammen gespielt hat.
Als gäbe es nichts Einfacheres, spielte das Quintett einen Deep Purple / Rainbow Set, der sich mehr als nur hören und sehen lassen konnte. Wie es dazu kam, wie die Reaktionen auf diesen Gig ausfielen, aber noch wichtiger, was im Hause Voodoo Circle passierte und noch passieren wird, erzählte ein wie immer gut gelaunter, auskunftsfreudiger und grundehrlicher Gitarrist. Dabei liess Alex die letzten eineinhalb Jahrzehnte Revue passieren und gab uns sein bisheriges, ernüchterndes Fazit zu Protokoll.
MF: 15 Jahre Voodoo Circle, wie fällt deine Bilanz aus?
Alex: Ganz nüchtern und fast in einem Wort zusammengefasst, die Band ist leider nicht da, wo sie hingehört. Wir arbeiten gerade am siebten Album und haben davor sechs hervorragende Scheiben abgeliefert, sagen zumindest die Kritiker (lacht). Ich bin mir sicher, dass die Combo viel mehr Aufmerksamkeit und Erfolg verdient hätte. Leider dümpeln Voodoo Circle aber noch immer vor sich hin, und das ist sehr frustrierend. Das liegt aber auch darin begründet, dass wir Classic Rock spielen, eine Musik, die eine Zuhörerschicht anspricht, die nicht zwischen 15 und 22 Jahren liegt, sondern 50 bis 60 Jahre alt ist (lacht).
Der CD-Markt ist tot, und es ist alles sehr uninteressant geworden, auch finanziell. Ich weiss, das sind alles sehr düstere Worte (grinst)…, als wir eine Tour geplant hatten, machte uns Corona einen dicken Strich durch die Rechnung. Leider haben wir es nicht geschafft, auf eine grosse, fette Tour aufspringen zu können. Das kostet alles eine Stange Geld, und das ist leider nicht vorhanden. Aus dem Grund, weil die Tonträger-Verkäufe nicht da waren. Weisst du, da fügt sich eins zum anderen. Die Recordings zum ersten Album begannen 2006, das ist eine lange Zeit. Wir konnten nie im Ausland spielen, ausser dieses eine Mal in Amerika auf dem "ProgPower Festival". Eigentlich bin ich über die Situation frustriert, was den Erfolg von Voodoo Circle angeht.
MF: Ihr habt effektiv sehr geile Alben veröffentlicht, und lag das "Nicht-Touren" auch daran, dass du noch bei Primal Fear, Sinner und "Rock Meets Classic" spielst?
Alex: Es ist immer eine Frage der Organisation. Jeder Musiker der bei Voodoo Circle spielt, hat noch andere Bands am Laufen. Das ist heute aber völlig normal. Man muss schauen, dass man ein freies Zeitfenster findet. Wir hatten ein bisschen Pech mit den Leuten, die für uns das Booking gemacht haben. Es war nie der Enthusiasmus da zu sagen, hier ist eine Band, die das Thema Rainbow, Deep Purple und Whitesnake in der Neuzeit abdecken kann, heisst Leute die dafür brannten, das Ganze nach vorne zu treiben. Es war immer "business as usual", das bedeutet, wenn wir nicht gesagt haben, das Album ist fertig, wir wollen jetzt auf Tour gehen. Es resultierte bloss eine Sammel-Mail an 500 Clubs, von denen sich zehn gemeldet haben und fünf davon bereit waren, auch eine Gage zu zahlen. So kommst du nicht weiter.
MF: Welches waren deine Erwartungen, Hoffnungen und Ziele, als du mit Voodoo Circle gestartet bist?
Alex: Um auch das ganz knapp in einem Wort zu sagen…, was heisst hier knapp? Ich sage gar nichts knapp (lautes Lachen). Um es versuchen knapp zu formulieren (lacht)…, ich hatte mir einen Erfolg erhofft, der sich zumindest auf dem Level von Gotthard bewegt. Das war meine Intention, als ich die Truppe gründete. Anfänglich sah es ja noch danach aus, als könnte dies funktionieren.
MF: Machen denn Voodoo Circle vom musikalischen Standpunkt her die Musik, die dir am besten gefällt, am nächsten bei deinem Herzen liegt und die du schon immer spielen wolltest?
Alex: Ja, auf jeden Fall! Das ist die Musik, mit der ich aufgewachsen bin und wegen der ich begonnen habe, Gitarre zu spielen. Meine ganzen Gitarren-Helden von früher haben diesen Sound gespielt. Da finde ich mich am meisten wieder. Alles, was mit Rainbow, Deep Purple oder Whitesnake zu tun hat, da bin ich zu Hause und da komme ich her.
MF: Gibt es eine Geschichte zum Bandnamen?
"...Die ursprüngliche Idee war, Freunde um mich scharen zu können, mit denen ich jammen kann..."
Alex: Einen geeigneten Bandnamen zu finden, ist immer ein bisschen schwierig. Es sollte ein Name sein, der zu uns passt und nicht nur gut klingt. Zu der Zeit hatte ich wieder mal eine Hendrix-Phase. «Voodoo Child» und "Voodoo" beinhalten etwas Mystisches wie Magisches. Das gefiel mir sehr gut. Circle…, es war ein "circle of friends". Die ursprüngliche Idee war, Freunde um mich zu scharen, mit denen ich jammen kann. Die Truppe geht auf die Bühne, der Song ist vier Minuten lang, aber wenn wir damit fertig sind, ist er auf 25 Minuten angewachsen (grinst). Wir haben viel improvisiert, und das hat auch Jimi Hendrix immer sehr gut gekonnt. Deshalb auch "Voodoo Child" oder eben Voodoo Circle (grinst).
MF: Gab es für dich ein Album bei Voodoo Circle, das eine ganz grosse Herausforderung war?
Alex: Ja, das Letzte, das Neueste, das im September 2024 erscheinen wird. Das war eine grosse Herausforderung, weil der Druck von Album zu Album immer grösser wurde. Somit auch die Erwartungs-Haltung. Ich kam an einen Punkt, als ich beim Komponieren war, an dem ich Angst hatte, nicht allem gerecht werden zu können. Teilweise habe ich auch in eine andere oder falsche Richtung geschrieben. Dies wurde wieder verworfen, und am Schluss sind wir dort gelandet, wo Voodoo Circle hingehören (lachend). Ich finde, es findet sich ein leicht modernerer Touch, aber das war so gewollt. Jedes Album klingt ein klein wenig anders, obwohl die Ideen die gleichen sind. Dieses Mal haben wir einen kleinen, moderneren Sound. Vielleicht sehe auch nur ich das so (lacht), respektive das müssen dann die Zuhörer entscheiden (lachend). Ich sitze hier im Studio und empfinde die Musik anders.
MF: Du hast kürzlich «15 Years Of Voodoo» als Best-Of veröffentlicht. Nach welchem Muster hast du die Lieder ausgewählt?
Alex: Nach meiner persönlichen Vorliebe und nach dem, was wir live gespielt haben. Was ich vom Zuhören her sagen kann, ist, dass die Songs Favoriten der Zuhörer sind.
MF: Als Tonträger kam die Scheibe aber nicht heraus, oder?
Alex: Nein, das war eine ganz moderne Label-Entscheidung, dass diese "Best Of" lediglich digital veröffentlicht wurde. Ich kriege ständig E-Mails oder Anfragen auf Instagram oder Facebook, wo Leute mich fragen: "Ich habe Probleme, das Album zu finden. Wo kann ich es kaufen?". Tja, liebe Fans, willkommen im Jahr 2024, die CD hat demnächst wohl ausgedient und wird es nicht mehr geben. Die Pläne dazu sind da, wir steuern genau darauf zu, und das ist der erste Schritt dahin.
Darüber bin ich gar nicht glücklich, sondern sehr sehr unglücklich. Es ist eine Entwicklung, die nachvollziehbar ist, aber das bedeutet nicht, dass sie gesund ist. Das geht einher mit so vielen Dingen in unserer Zeit, die wir aktuell durchleben. In allen möglichen Bereichen. Sei es bei der Elektroauto-Mobilität, sprich überall wird versucht, etwas zu verbessern, aber die Evolution bleibt an allen Orten auf der Strecke liegen. Das finde ich ganz schlimm. Das liegt auch daran, dass ich mittlerweile ein alter Sack bin (lacht). Ein alter und weiser Mann (lacht).
Ich werde dieses Jahr 60 Jahre jung, und ich durfte so viel erleben, was die Veränderung der Schallplatte angeht, hin zur CD und mp3. Es zieht sich durch alle Bereiche hindurch, und ich trauere der Wertschätzung hinterher. Die Generation, die jetzt heran wächst, gerät in eine viel schnelllebigere Welt, die sich andere Werte setzt. Ich bin der Meinung, dass eine gewisse Wertschätzung, wie wir sie in unserer Erziehung kennengelernt haben, heute nicht schaden würde.
MF: Kommen wir zu etwas Schönerem! Ich habe dich anfangs dieses Jahres am ICE ROCK Festival in Wasen im Emmental gesehen. Ich war, wie allen anderen auch, zuerst gespannt und voller Vorfreude auf Voodoo Circle. Bald einmal sickerte jedoch durch, dass ihr nicht in dieser Konstellation werdet auftreten können. Schlussendlich wurde die Corona-Erkrankung von David Readman preisgegeben. Wie war das für dich kurzfristig festzustellen, jetzt habe ich ein Problem?
"...Das sind Momente, die man kreiert, die unvorhersehbar und unwiederbringlich sind, die es nur in diesen Stunden und Momenten gibt..."
Alex: Immer dann, wenn der Druck am grössten ist, bin ich am besten (grinst). Das fordert mich richtig heraus, und dann will ich mir selbst und der Welt etwas beweisen (grinsend). Das hat, glaube ich, ganz gut funktioniert (lacht). Das hat sogar so gut geklappt, dass ich für 2025 bei vier Festivals in der Schweiz gebucht wurde. Das Thema wird auf jeden Fall weiter geführt. "Alex Beyrodt and Friends" habe ich vor einigen Jahren aus der Taufe gehoben. Die Idee dabei war, dass ich mir eine Band aus Freunden zusammen stelle, man merke den Circle (lacht), die aus bekannten wie berühmten Musikern besteht und in der Zusammensetzung noch nie miteinander gespielt haben. Eine halbe Stunde bevor man auf die Bühne geht, stellt man die Setliste zusammen. "Was kannst du spielen? Kennst du Hendrix und «Black Night»?" Tonart E, ja, kann ich, hab ich schon mal gespielt". Dann stellst du sieben Tracks zusammen und spielst ein zweistündiges Konzert (grinst). Das ist die ursprüngliche Idee von "Alex Beyrodt and Friends".
Ich habe mit vielen Leuten zusammen gespielt, die hier in Deutschland sehr bekannt sind, wie Martin Engelin (Bass) von der Klaus Lage Band, Cherry Gehring von Pur oder dem Trommler von den Söhnen Mannheims. Wir spielen an Stadtfesten oder in meiner Heimatgemeinde und zelebrieren dabei meinen Geburtstag. Das Konzert ist immer innerhalb von zwei Tagen ausverkauft, weil all die weltberühmten Musiker dabei sind und in diesem kleinen Dorf auftreten (lacht). Das macht unglaublich viel Spass, weil es ungezwungen ist. Es gibt keine Probe, es ist immer eine Herausforderung und wird improvisiert ohne Ende, sodass wir gar nicht mehr wissen, in welchen Songs wir gerade sind (lacht). Es endete schon damit, dass wir den Klassiker «Highway To Hell» spielten, der dann erst nach neunzig Minuten vorbei war. Keiner vom Publikum hat den Ort des Geschehens verlassen. Wir haben uns durch Jazz, Funk und alles Mögliche hindurch gespielt, und am Schluss sahen wir uns fragend an, so ganz nach dem Motto, was machen wir eigentlich hier (lautes Lachen)?
Das sind Momente, die man kreiert, die unvorhersehbar und unwiederbringlich sind, die es nur in diesen Stunden und Momenten gibt. Dies mit einer Spielfreude…, du stehst auf der Bühne und hast nur ein Grinsen im Gesicht (die Euphorie in der Stimme von Alex ist fühlbar!). Das überträgt sich aufs Publikum, und man sollte dieses nie unterschätzen, denn es versteht und spürt genau, was da auf der Bühne abgeht. Das bereitet mir unfassbar viel Spass (sagt es mit einem breiten Grinsen). Als ich einen Tag vor dem ICE ROCK also einen Corona-erkrankten Sänger hatte, nahm ich mein WhatsApp, checkte kurzerhand im Internet wer alles auf Tour ist und habe Ronnie Romero direkt gefragt, ob er an seinem freien Tag Bock hätte (lacht)…, denn er war gerade mit seiner Solo-Band auf Tour und kam dann von Dortmund her in die Schweiz. Er hat es gemacht, um wortwörtlich einem Freund zu helfen. Dann haben wir "im Wasen" dieses Feuerwerk gezündet, aber erzähle du mal, wie es für dich war (grinsend), denn ich halte hier einen Monolog. Wie hast du das Ganze erlebt?
MF: Als ich Ronnie sah, ahnte ich bereits, dass es in diese Purple-Rainbow-Schiene gehen könnte. Da ich wusste, wer deine musikalischen Helden sind, dachte ich mir schon, dass da bald etwas ganz Grosses stattfinden wird. Dass es jedoch dermassen grossartig wird, hätte ich mir nie erträumen lassen. Ich war fasziniert, wie ihr abgeliefert habt. Was dabei essentiell war, ist, dass ich diese unglaubliche Spielfreude sowie den Spass an der spontanen Performance gespürt habe. Es braucht was, diese Klassiker auf der Bühne so geil zu spielen.
Alex: Ja, es gab wohl mehrere Leute, die vor Freude geweint haben.
"...Das war wirklich echt, ohne Netz und doppelten Boden..."
MF: Was ihr da in so kurzer Zeit auf die Bühne gestellt habt…, dafür braucht es Eier, richtige Musiker, Spass und ganz wichtig: Leidenschaft!
Alex: Das war wirklich echt, ohne Netz und doppelten Boden. Klar haben wir uns verspielt (grinst), aber das juckt mich nicht. Das ist doch das Geile an den alten Deep Purple Scheiben, wenn Ritchie Blackmore einen halben Ton daneben spielt, wie auf «Made In Japan» oder wo auch immer. Ja geil (mit völliger Euphorie in der Stimme!), das ist doch genau die Stelle, auf die man wartet (lacht). Es darf gar nicht perfekt sein, und es hat auch nicht den Anspruch dazu. In dieser Besetzung hatten wir vorher noch nie zusammen gespielt. Natürlich habe ich mit allen schon mal auf der Bühne gestanden, aber Markus (Schlagzeug) war an dem Abend tatsächlich der "Neuling". Hannes, der Organist, hat Markus ausserdem im Umkleideraum zum ersten Mal getroffen (lacht). Es ist wirklich etwas ganz Besonderes entstanden.
MF: Dann geht es demnach nun weiter mit "Alex Beyrodt and Friends"?
Alex: Ja, wie gesagt, nächstes Jahr in der Schweiz und dieses Jahr mit noch ein paar Auftritten in Deutschland. Für den Mai habe ich in Eigenregie fünf Gigs organisiert, was unfassbar viel Arbeit generiert und mich auch sehr viele Nerven gekostet hat. Aufgrund des Auftritts am ICE ROCK bekam ich eine Anfrage einer Konzert-Agentur (lacht), die nun unbedingt mit uns zusammen arbeiten will. Dieser Auftritt hat sehr sehr viel in Bewegung gesetzt (lacht). Mal sehen, was noch alles daraus entstehen wird.
MF: Ich habe ja schon unzählige Konzerte gesehen, aber dieser Auftritt war sicherlich einer der besten. Einfach, weil das Gesamt-Paket unglaublich geil war.
Alex: Das freut mich zu hören, schön (grinst zufrieden). Das ist geil, dass du das sagst, auch weil wir eine echte Hammond Orgel auf die Bühne geschleppt haben. Somit war alles so, wie es sein soll. An diesem Abend hat alles funktioniert, und es wurde honoriert durch weinende Fans (lachend). Das war auch für mich ein Highlight, definitiv!
MF: Dann hoffen wir, dass wir bald noch viel von dir hören werden. Ich danke dir für die Zeit und das sehr offene wie ehrliche Gespräch.
Alex: Sehr gerne, vielen Dank und auf bald.